Roland Mair

Gedanken zu meinem persönlichen Volkstrauertag 2020

Gerade noch rechtzeitig bin ich heute am Kriegerdenkmal angekommen. Mit Ausnahme eines Kranzes der Stadt Stadtbergen und der Veteranengesellschaft am Kriegerdenkmal war niemand an diesem sonnigen und kalten Sonntag dort. Vielleicht zeigt mir das Fehlen der offiziellen Vertretung der Stadt Stadtbergen und auch der Vereinsmitglieder die Abwesenheit von Krieg – aber friedlich war trotz Sonnenscheins die Stimmung nicht. Es fehlten die Menschen, die Stimmen und die bekannten Gesichter, die Mimik und das Hallo von den Gedenkenden. Es war niemand da, den man fragen konnte. 
Und dieses „Fragt“ stellt sich angesichts von 75 Jahren oder 102 Kriegsende in Deutschland immer mehr. Die Menschen, die aktiv den Krieg miterlebt haben, werden zunehmend weniger. Es sind immer weniger Menschen am Leben, die uns über den Schmerz, über das Fehlen des Vaters am Abendtisch oder auch über den Verlust des Bruders berichten können. Die Erinnerung verblasst und gibt damit denjenigen Raum, die mit dem Gegenüberstellen von Gruppen mit Erniedrigung oder Erhöhung von Menschen, die mit Vorurteilen und Wörter aus dem 3. Reich Stimmung machen. 
Tagtäglich müssen wir uns ins Gedächtnis rufen, dass ein Krieg nicht mit dem ersten Schuss beginnt und auch nicht mit dem letzten Gefecht endet. Er beginnt mit erfundenen Geschichten über denjenigen, der nicht erwidern kann, er beginnt mit den Regierenden, die Stimmung gegenüber anderen machen – und er endet nicht mit dem letzten Schuss, weil das Leid und der Schmerz über den Verlust des Bruders, des Vaters, von Freunden oder Verwandten lässt die schreckliche Erinnerung an Krieg nicht verschwinden. Im Krieg selbst töten und verletzen Menschen andere Menschen, die jung sind, die sich nicht kennen, die nicht wissen, warum sie diesen Krieg führen. 
Lasst uns jeden engagieren, auf den anderen zuzugehen, mit fremden Menschen zu sprechen, die Regierenden erinnern, dass Waffen und auch Waffenproduktion keine friedensstiftenden Methoden sind. 
Falls dieses vom Volkstrauertag 2020 nachwirkt, dann hat sich die Stille am Kriegerdenkmal bezahlt gemacht.